CORD MEIJERING COMPOSER

"No man ever steps in the same river twice" (Heraclitus)

CORD MEIJERING
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바다의 곡哭 – LAMENTATION OF THE SEA - DAS KLAGENDE MEER
for soprano, 2 pianos, percussion, Korean Dancer and Audio.

performers
soprano (also rain maker in movement 7 - Ed. CMC bamboo 2,6 m - 102”)
piano 1 (also voice in movement 7)
piano 2 playing Korean Traditional Dancer1) (also voice in movement 7)
1) alt. piano 2 and Korean Traditional dancer = 2 performers
percussion:
7 wind gongs (120/80/50/40/35/30/15 cm - 48/32/20/16/14/12/6”) - handmade in Wuhan (China)
3 Capiz shell chimes (small, medium, large)
1 Carrara marble chime (a present from Maehias Kaul)
1 bass drum
1 spring drum (Remo 10x4”)
1 rain maker (Ed. CMC bamboo 2,6 m - 102”)

poem
by 허 (Huh Young Sun)

composed in
2020/21

durations
1) 5’45” - 2) 7’00” - 3) 3’45” - 4) 5’15” - 5) 7’00” - 6) 7’00” - 7) 8’00” - 8) 1’15”
Total: approx. 45 min.

dedicated to
In memoriam 진아영 (Jin A Young) and Matthias Kaul

first performance
february 12, 2021 - Buddhist New Year
Akademie für Tonkunst Darmstadt, Germany
ZEITSTRÖME - TAGE FÜR AKTUELLE MUSIK 2021
서예리 - Yeree Suh - soprano
한가야 - Kaya Han - piano 1
정은비 - Eunbi Jeong - percussion
한에나 - Ena Han - piano 2, choreography and Korean dance in movement 1, 3, 6
Arne Gieshoff - electro acoustic assistance
Masahiro Nishio - audio and lighting design

movements
1)
서곡
- 序曲 - Prologue - Audio 1 갈매기의 - Dance of the Herring Gull - Tanz der Silbermöwe 1
2)
여자가 울담 아래 쪼그려 있네 … There’s a woman cowering behind a dry stone fence … Eine Frau kauert an der Steinmauer …
3)
간주곡
1 - 間奏曲 1 - Intermezzo 1 - Audio 2 갈매기의 - Dance of the Herring Gull - Tanz der Silbermöwe 2
4)
무자년
… That day in the Year of the Yellow Rat … Ein Tag im Jahre 1948 …
5)
링거를
맞지 않고는 잠들 없는 … Without the drip of the Ringer’s IV there is no sleep … Kein Schlaf ohne die Infusion davor …
6)
간주곡
2 - 間奏曲 2 - Intermezzo 2 - Audio 3 갈매기의 - Dance of the Herring Gull - Tanz der Silbermöwe 3
7)
지금
대명천지 훌훌 자물쇠 벗기는 … Now the sun shines on Heaven and Earth, breaking the locks one by one … Jetzt bei Tage sind die Schlösser geöffnet …
8)
후주곡
- 後奏曲 - Postlude - Audio 4

publisher
EDITION MEIJERING

poem
무명천 할머니
- 월령리 진아영1)

여자가 울담 아래 쪼그려 있네
손바닥 선인장처럼 앉아 있네
희디 무명천 턱을 싸맨
울음이 소리가 되고 소리가 울음이 되는
그녀, 끅끅 막힌 목젖의 음운 나는 없네
가슴뼈로 후둑이는 그녀의 울음 없네

무자년2) , 살려고 후다닥 내달린 밭담 안에서
누가 날렸는지 모를
날카로운 반발에 송두리째 날아가 버린
당해보지 않은 나는 수가 없네
고통 속에 허구한 뒤채이는
어둠을 없는 나는 없네

링거를 맞지 않고는 잠들 없는
그녀 몸의 소리를
모든 말은 부호처럼 날아가 비명횡사하고
모든 꿈은 바다로 꽂히고
어둠이 깊을수록 통증은 깊어지네
홀로 헛것들과 싸우며 새벽을 기다리던
그래 없는 나는
깊은 고통을 진정 없네
그녀 딛는 곡마다 헛딛는 말들을 있다고
바다 새가 꾸륵대고 있네

지금 대명천지 훌훌 자물쇠 벗기는
배롱한 세상
세상 왔다지만
꽁꽁 자물쇠 채운 문전에서
여자가 슬픈 비린 저녁놀에 얼굴 묻네

오늘도 희디흰 무명천 받치고
울담 아래 앉아 있네
여자가

(Huh Young Sun)

__________________________________
1) 1941 . 제주시 한경면 판포리에서 4.3 총을 맞고 턱을 잃었다.
무명천으로 턱을 감싼 월령 , 금악 등에서 홀로 살았다.
2) 1948 4.3 발발하던 해를 뜻함.

poem german translation
Die Großmutter mit dem Baumwollverband Wolyeong-ri Jin A Young1)
Eine Frau kauert an der Steinmauer,
Sitzt dort wie ein Kaktus,
Schneeweiße Baumwolle um den Kiefer gebunden,
Weinen wird zu Sprache, Sprache wird zu Weinen;
Die erstickten Laute ihres Kehlkopfs, ich kann sie nicht erahnen,
Die Klagen aus ihrem Brustbein, ich kann sie nicht erahnen.

Ein Tag im Jahre 19482), Flucht hinter die Mauer in Todesangst.
Unbekannt der Absender
Jener schrillen Kugel, die ihren Kiefer vollständig zerschmetterte.
Ich habe es nicht erlebt, ich kann es nicht erahnen,
Habe die Dunkelheit, die eine jede qualvolle Nacht erfüllt,
Nicht gesehen und kann sie nicht erahnen. 

Kein Schlaf ohne die Infusion davor;
Die Laute ihres Körpers,
All ihre Worte, Geheimzeichen, die verunglücken,
Ihre Träume, die im weiten Meer versanken, 
Den Schmerz, der in tiefer Nacht immer tiefer wird,
Die Erwartung des Morgengrauens im einsamen Kampf gegen Phantome;
Ich habe nichts davon gesehen,
Kann ihren tiefen Schmerz wirklich nicht erahnen,
Wohl aber das Getuschel, das ihr auf Schritt und Tritt folgt. 

Jetzt bei Tage sind die Schlösser geöffnet,
Doch die Welt wirft nur ein fahles Licht.
Die Welt mag auch zu Besuch sein,
Sie steht in der Tür voller Vorhängeschlösser,
Versteckt mit traurigem Blick das Gesicht in langen Abendschatten.
Mit schneeweißem Baumwollverband
Sitzt sie auch heute an der Mauer,
Die Frau.

German translation by Sebastian Lamp

__________________________________
1) Jin A Young wurde 1941 geboren. In Panpo-ri, einem Ort im Bezirk Hangyeong der Provinz Jeju (Insel im Süden von Korea) wurde sie am 3. April 1948 angeschossen und verlor ihr Kinn. Sie lebte seitdem allein in Wolyeong-ri, Geumak (auf Jeju) und bedeckte ihr Kinn mit einem Baumwolltuch.
2) Im koreanischen Text heißt es 무자년 = Muja-Jahr (Jahr der Gelben Ratte). Es bezieht sich auf das Jahr des Aufstands am 3. April 1948.


program notes (german)
Nach MARSYAS - SYMPHONY FOR PERCUSSION (2018/19) ist die etwa dreiviertelstündige Musik 바다의 곡哭 – LAMENTATION OF THE SEA - DAS KLAGENDE MEER für Sopran, 2 Klaviere, Schlagzeug, Koreanischen Tanz und Audio-Zuspielung mein zweites umfangreiches Werk über die Koreanische Geschichte. Die Idee dazu entstand im Anschluss an die Uraufführung von MARSYAS, während eines Gesprächs zwischen der Pianisbn Kaya Han und mir.
Das KLAGENDE MEER bezieht sich auf einen Aufstand, der am 3. April 1948 auf der Insel Jeju begann. Unmut über Polizeirepression sowie Angst vor Fremdbestimmung lösten auf Seiten der Insel-Bevölkerung Proteste gegen die Regierung aus.
„Koreanische Truppen schlugen mit Hilfe der amerikanischen Besatzungsarmee einen angeblich kommunistischen Aufstand in Jeju nieder, der tatsächlich kaum mehr als eine Unmutskundgebung von ein paar hundert Menschen war. Der Gewaltausbruch war unvorstellbar, die Zahl der Toten ist es bis heute ...” (FAZ 1.10.2004)
Es wird berichtet, dass etwa 270 von 400 Dörfern der Insel vernichtet wurden, dass mehr als 27.000 Menschen den Tod fanden (ca. 10% der Insel-Bevölkerung) und ca. 40.000 Menschen nach Japan geflohen sind. Je nach Bericht divergieren die Zahlen erheblich.
Grundlage meiner Komposition ist das Gedicht “Die Großmutter mit dem Baumwollverband” von Huh Young Sun. Es bezieht sich auf eine alte Frau, die als 7- jähriges Mädchen aufgrund eines Querschlägers am 3. April 1948 ihren Unterkiefer verlor. Um die Wunde zu verbergen trug sie ihr ganzes einsames Leben lang ein Baumwolltuch um ihr Kinn gewickelt.
Ich unterteilte das Gedicht seinem Inhalt nach in vier Abschnitte. Diese komponierte ich für Sopran, 2 Klaviere und Schlagzeug. 4 Audio-Teile bilden dazu einen Prolog, zwei Intermezzi und ein kurzes Postludium. Yeree Suh danke ich sehr für ihre Unterstützung beim besseren Verstehen der koreanischen Diktion.
Meine Kindheit verbrachte ich auf der Insel Spiekeroog. Die Insel Jeju habe ich bereits mehrfach besucht. Insulaner sind mir wohl bekannt. Ich kenne ihren klaren Wunsch nach Unabhängigkeit vom “Festland” und ihren Widerwillen gegen jede Art von Fremdbestimmung. Das ist auf Spiekeroog nicht anders als auf Jeju. So schmolzen beim Komponieren unwillkürlich beide Erinnerungen zu einer Gedankenwelt zusammen.
Es klingt eine Trauermusik, ausschließlich dem Koreanischen Rhythmus Jinyangjo folgend. Westlich ausgedrückt bedeutet dies eine Abfolge von vier 2-taktigen rhythmischen Phrasen im steten Wechsel von 12/8- und 6/8-Takt. Auch das sehr langsame Tempo (Achtel = 72) bleibt das ganze Werk hindurch unveränderlich.
Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive des Meeres, das über die menschlichen Untaten ein großes Lamento ansstmmt. Die Wellen, der Wind, die Schreie, das Gackern
der Silbermöwe, die Wale - kurz gesagt: die Meeres-Natur, die der Mensch als ihm “untertan” betrachtet und als deren Teil er sich nur selten empfindet, all diese folgen auf geheimnisvolle Weise dem unaufhörlich dahin-schreitenden Rhythmus des Jinyangjo. Die Gezeiten, der Wechsel von Ebbe und Flut geben ihrer Trauer Ausdruck in eben diesem Jinyangjo.
In den Audio-Teilen “Prolog” und “Intermezzo 2” erklingen fast ausschließlich Klänge der Natur. Im “Intermezzo 1” mischen diese sich mit Klängen des Krieges. Es tanzt dazu die Silbermöwe, der wohl eindrucksvollste Vogel, der in der Erinnerung an meine Kindheit und in vielen anderen Landschaften dieser Welt, so auch auf der Insel Jeju omnipräsent ist. Der stolze Vogel ist ein selbstbewusster Insulaner, o3 auch mörderisch aggressiv, niemals jedoch gegen seine eigene Art. Sein ärgerliches Gackern ähnelt auf erschreckende Weise den kurzen Salven der Maschinengewehre.
In Satz 7, der eine unsichere Hoffnung formuliert, erscheinen - wie Geister aus dem Meer - Fragmente von Johann Sebasban Bachs Chorälen “Brich an, du schönes Morgenlicht ...” und “Die Sonn hat sich in ihrem Glanz gewendet ...” sowie von Gustav Mahlers Lied “Ich bin der Welt abhanden gekommen ...”
Gewidmet ist das Werk der “Großmutter mit dem Baumwollverband” 진아영 (Jin A Young) - stellvertretend für die unzähligen Opfer des Aufstands vom 3. April - und meinem Freund dem Schlagzeuger Maehias Kaul, der im vergangenen Jahr verstorben ist und für den Eunbi Jeong zu dessen 70. Geburtstag MARSYAS als eine Privatvorstellung präsentiert hat.

DANKSAGUNGEN
Es macht mich froh, stolz und dankbar zu wissen, dass so wunderbare Künstlerinnen wie Yeree Suh, Kaya Han, Eunbi Jeong und Ena Han mit mir gemeinsam durch Musik das Gedenken an diese beiden Menschen wie auch an die vielen Opfer des Aufstands vom 3. April feiern.
Auch Masahiro Nishio und Arne Gieshoff, die mich unermüdlich bei der Bewältigung der technischen Aufgaben im Zusammenhang mit der Erstellung der Audio-Teile unterstützt haben, sowie Wolfgang Tresser für seine treue Hilfe bei Bühnenaufbauten und Transporten und Olaf Mielke, der mich freundlich und kompetent bezüglich der Positionierung des Sound-Equipments beraten hat, gehört mein Dank. Ich danke Jocelyn Clark für ihre Unterstützung bei der Klärung musik-ethnologischer Fragen und bei der Übersetzung von Annotationen ins Englische. Ich danke ebenso Geonyong Lee für seinen stetigen, über viele Jahre andauernden, immer aufrichtigen und liebevoll-kompetent- strengen künstlerischen und emotionalen Rat und Beistand auf meiner Reise in die von mir so geliebte koreanische Kultur.
Cord Meijering - Darmstadt im Februar 2021

program notes (english)
After MARSYAS - SYMPHONY FOR PERCUSSION (2018/19), the approximately three quarters of an hour long music 바다의 곡哭 - LAMENTATION OF THE SEA - DAS KLAGENDE MEER for soprano, 2 pianos, percussion, Korean dance and audio feed is my second extensive work about Korean history. The idea for it was born after the premiere of MARSYAS, during a conversation between the pianisbn Kaya Han and me.
KLAGENDE MEER refers to an uprising that began on Jeju Island on April 3, 1948. Resentment of police repression as well as fear of foreign domination sparked protests against the government on the part of the island's population.
"Korean troops, with the help of the American occupation army, put down an alleged communist uprising in Jeju that was in fact little more than a rally of discontent by a few hundred people. The outbreak of violence was unimaginable, the number of dead remains so to this day ..." (FAZ 1.10.2004)
It is reported that about 270 out of 400 villages on the island were destroyed, that more than 27,000 people died (about 10% of the island's population) and about 40,000 people fled to Japan. Depending on the report, the numbers diverge considerably.
The basis of my composition is the poem "The Grandmother with the Cotton Bandage" by Huh Young Sun. It refers to an old woman who, as a 7-year-old girl, lost her lower jaw due to a ricochet on April 3, 1948. To hide the wound, she wore a cotton cloth wrapped around her chin all her lonely life.
I divided the poem into four sections according to its content. I composed these for soprano, 2 pianos and percussion. 4 audio parts form a prologue, two intermezzi and a short postlude. I thank Yeree Suh very much for her support in understanding the Korean diction better.
I spent my childhood on the island of Spiekeroog. I have visited Jeju Island several times. Islanders are well known to me. I know their clear desire for independence from the "mainland" and their reluctance to accept any kind of foreign domination. This is no different on Spiekeroog than on Jeju. Thus, while composing, both memories involuntarily melted into one world of thoughts.
It sounds a funeral music, exclusively following the Korean rhythm Jinyangjo. In Western terms, this means a sequence of four 2-bar rhythmic phrases in constant alternation of 12/8 and 6/8 time. The very slow tempo (eighth = 72) also remains unchanging throughout the work.
The story is told from the perspective of the sea, which makes a great lament over human misdeeds. The waves, the wind, the cries, the cackling of the herring gull
The waves, the wind, the cries, the cackling of the herring gull, the whales - in short: the nature of the sea, which man considers to be "subject" to him and of which he seldom feels a part, all these mysteriously follow the incessant rhythm of the Jinyangjo. The tides, the change of ebb and flow give expression to their sorrow in this very Jinyangjo.
In the audio parts "Prologue" and "Intermezzo 2" almost exclusively sounds of nature can be heard. In "Intermezzo 1" these mix with sounds of war. The herring gull dances to it, probably the most impressive bird, which is omnipresent in the memory of my childhood and in many other landscapes of this world, so also on Jeju Island. The proud bird is a self-confident islander, o3 also murderously aggressive, but never against its own kind. Its angry cackling is frighteningly similar to the short bursts of machine guns.
In Satz 7, der eine unsichere Hoffnung formuliert, erscheinen - wie Geister aus dem Meer - Fragmente von Johann Sebasban Bachs Chorälen “Brich an, du schönes Morgenlicht ...” und “Die Sonn hat sich in ihrem Glanz gewendet ...” sowie von Gustav Mahlers Lied “Ich bin der Welt abhanden gekommen ...”
The work is dedicated to the "Grandmother with the Cotton Bandage" 진아영 (Jin A Young) - representing the countless victims of the April 3 Uprising - and to my friend the drummer Maehias Kaul, who passed away last year and for whom Eunbi Jeong presented MARSYAS as a private performance on his 70th birthday.

ACKNOWLEDGMENTS
It makes me happy, proud and grateful to know that such wonderful artists as Yeree Suh, Kaya Han, Eunbi Jeong and Ena Han have joined me in commemorating these two people through music, as well as the many victims of the April 3rd uprising celebrate.
Also Masahiro Nishio and Arne Gieshoff, who tirelessly supported me in coping with the technical tasks related to the creation of the audio parts, as well as Wolfgang Tresser for his loyal help with stage construction and transport and Olaf Mielke, who gave me friendly and competent advice regarding the positioning of the sound equipment deserves my thanks. I am grateful to Jocelyn Clark for her support in clarifying musico-ethnological questions and in translating annotations into English. I also thank Geonyong Lee for his constant, over many years, always sincere and loving-competent-strict artistic and emotional advice and support on my journey into the Korean culture I love so much.
Cord Meijering - Darmstadt in February 2021